Klassische ökonomische Modelle gehen davon aus, dass Menschen ihr Informationsbedürfnis stillen, um bessere Entscheidungen zu treffen, und dass sie ihre persönlichen Überzeugungen an neu gewonnene Erkenntnisse anpassen. In der Realität aber halten viele Menschen an offenkundig fehlgeleiteten Ansichten fest und verteidigen sie nach außen vehement. Dazu zählen Klimaleugner und Impfgegner ebenso wie beispielsweise Manager, die ihre eigenen Fähigkeiten und Leistungen überschätzen.
Zur Erklärung dieses Phänomens haben Verhaltensökonomen das Konzept der „belief-based utility“ entwickelt, wonach der aus den eigenen Überzeugungen gewonnene Nutzen einem Sinneswandel im Wege steht. Im Rahmen des briq-Workshops wurden aktuelle Forschungsergebnisse zu den verschiedenen Facetten dieser Thematik vorgestellt und diskutiert – von der Rolle politischer Überzeugungen über Informationsverweigerung bis hin zum selektiven Erinnerungsvermögen.

Moral und Wahlen
Der Wandel in den persönlichen Moral- und Wertvorstellungen der US-Bevölkerung hat laut Benjamin Enke entscheidend zum Ausgang der Präsidentschaftswahlen beigetragen. Während Hillary Clinton vor allem für „universelle“ Werte wie Gerechtigkeit, Fairness, und individuelle Rechte stand, vertrat Donald Trump in erster Linie „gemeinschaftsorientierte“ Werte wie Loyalität, Respekt und Tradition, mit denen er bei der ländlichen Bevölkerung punkten konnte.
Optimismus und Studium
Teodora Boneva präsentierte die Ergebnisse einer Umfrage unter Studienanfängern zu den Vor- und Nachteilen eines Postgraduierten-Studiums. Demnach zeigen sich Akademikerkinder in ihren Einschätzungen optimistischer als Arbeiterkinder: Sie erwarten nicht nur ein ausgeprägteres Sozialleben, weniger finanzielle Probleme und mehr Unterstützung durch ihre Eltern, sondern rechnen auch mit deutlicheren Einkommensvorteilen durch ein abgeschlossenes Studium. Dieser Befund könnte zur Erklärung beitragen, warum sich Arbeiterkinder trotz aller Bemühungen seitens Politik und Universitäten nach wie vor seltener für ein weiterführendes Studium entscheiden.
Wettbewerbseifer und Karriere
Geschlechterunterschiede in der Wettbewerbsbereitschaft haben einen großen Einfluss auf den eingeschlagenen Bildungs- und Karriereweg. Laut Muriel Niederle lassen sich Unterschiede in Bildungsstand und Einkommen dadurch mindestens ebenso gut erklären wie durch Risikobereitschaft und andere Persönlichkeitsmerkmale. Einer früheren Studie Niederles zufolge ist rund ein Fünftel der Geschlechterunterschiede in der Berufswahl auf die stärkere Wettbewerbsneigung von Männern zurückzuführen.
Vorurteile und Diskriminierung
Obwohl unsere Überzeugungen zentral für unsere Entscheidungen sind, spiegeln sie nicht immer die objektive Verarbeitung der verfügbaren Informationen wider. Mit anderen Worten: Wir glauben, was wir glauben wollen. Zu diesem Themenkomplex steuerte Botond Köszegi ein theoretisches Modell bei, das abbildet, wie aus Selbstüberschätzung Vorurteile entstehen. Wer zu sehr von sich überzeugt ist, sieht seine eigene Leistung durch andere nicht ausreichend gewürdigt. Übertragen auf die Gesellschaft lassen sich so auch zwei problematische Phänomene besser verstehen: Zum einen neigen wir dazu, die Mitglieder unserer sozialen Gruppe in einem zu positiven Licht zu sehen. Zum anderen gehen die Meinungen verschiedener sozialer Gruppen über das tatsächliche Ausmaß von Diskriminierung erheblich auseinander.
Erinnerungsvermögen und Selbstüberschätzung
Ein verzerrtes Erinnerungsvermögen fördert dauerhafte Selbstüberschätzung, wie David Huffman am Beispiel von Managern darlegte. In seiner Studie mussten Filialleiter, deren Gehalt sich teilweise am relativen Abschneiden gegenüber anderen Filialen des Unternehmens bemaß, Prognosen über ihre zukünftige Performance abgeben. Da sie regelmäßig über ihren Leistungsstand im Vergleich zu anderen Filialleitern informiert wurden, sollte man meinen, dass allzu selbstbewusste Manager schnell von der Realität eingeholt würden. Doch die Forscher fanden heraus, dass die Manager beharrlich zu optimistische Prognosen abgaben – vor allem diejenigen, die ihr bisheriges Abschneiden in übertrieben positiver Erinnerung hatten.
Finanzmärkte und politische Überzeugungen
Auch wirtschaftliche Erfahrungen beeinflussen unsere Überzeugungen. Im Kontext der israelischen Parlamentswahlen im Jahr 2015 konnte Moses Shayo zeigen, dass Wähler, die im Vorfeld der Wahlen zufällig Aktien palästinensischer oder israelischer Unternehmen erhalten hatten, eher für Parteien stimmten, die den Friedensprozess unterstützen. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die keine Aktien erhalten hatte, betrug der Unterschied in der Stimmenverteilung sechs Prozentpunkte. Rund ein Drittel dieses Effekts lässt sich laut Shayo dadurch erklären, dass Finanzmarkterfahrung den Willen zur politischen Annäherung sowie das Bewusstsein für die wirtschaftlichen Risiken militärischer Konflikte fördert.
Weitere spannende Themen, die während des Workshops vorgestellt und diskutiert wurden, finden Sie in der Liste aller Präsentationen.