
Das briq-Stipendienprogramm fördert laufend rund 25 Doktorandinnen und Doktoranden an der Bonn Graduate School of Economics. Einige von ihnen sind eng in die Arbeit des Instituts eingebunden und arbeiten an briq-Projekten mit. In unserer Kurzporträt-Reihe stellen wir die aktuellen „briq Student Fellows“ und ihre Arbeit vor. Zu ihnen zählt auch Peter Andre, der seit Oktober 2016 am briq forscht.
Mit welchen Themen beschäftigst du dich am briq?
Meine aktuelle Forschung dreht sich vor allem um Erwartungen und Wahrnehmung. In der klassischen Ökonomie spielen Erwartungen lediglich eine Rolle, wenn es um Entscheidungsfindung unter Unsicherheit geht. Darüber hinaus sind sie aber eigentlich immer relevant, wenn unser Handeln und Denken durch die Umwelt beeinflusst wird. Hier spielt nämlich unsere Wahrnehmung der Umwelt und unsere Erwartungen über die Konsequenzen möglicher Entscheidungen eine große Rolle. Dabei bildet unsere subjektive Wahrnehmung die Umwelt nicht immer korrekt ab, sondern führt uns bei wichtigen Fragen in die Irre, sei es bei Finanz- oder Bildungsentscheidungen, in Erziehungsfragen, bei politischen Argumenten oder auch im Sozial- und Moralverhalten.
Gibt es dafür konkrete Beispiele aus deiner Arbeit?
In einer Studie untersuche ich gemeinsam mit Chris Roth, Johannes Wohlfart und Carlo Pizzinelli, wie sich subjektive Einschätzungen zu wirtschaftlichen Zusammenhängen zwischen Laien und Experten unterscheiden. Wir wollten wissen: Stimmen die Einschätzungen der Menschen mit makroökonomischen Modellen überein, wenn es darum geht, die Entwicklung von Arbeitslosigkeit und Inflation infolge wirtschaftlicher Schocks vorherzusagen? Tatsächlich liegen die Befragten vor allem bei der erwarteten Inflationsentwicklung weit auseinander. Das sollte man nicht unterschätzen, denn falsche subjektive Vorstellungen von wirtschaftlichen Vorgängen können Booms und Rezessionen befeuern.
Was ist die größte Herausforderung bei dieser Art von Forschung?
Die Hauptschwierigkeit besteht darin, Wahrnehmung wissenschaftlich belastbar zu messen. Wenn wir dazu Fragebögen entwickeln, müssen wir oft zwischen möglichst solider wirtschaftstheoretischer Fundierung und möglichst leichter Verständlichkeit für die Befragten abwägen.

Deine Feldforschung hat dich bis nach Papua-Neuguinea geführt. Was treibt einen Ökonomen in die entlegensten Winkel der Welt?
Ein klassisches verhaltensökonomisches Thema: Sozialverhalten. Zusammen mit den Kollegen Andreas Pondorfer und Susann Adloff habe ich in verschiedenen Gemeinden der Provinz Bougainville untersucht, wie sich die Wahrnehmung „sozial angemessenen“ Verhaltens und die Struktur der jeweiligen sozialen Netzwerke auf menschliche Verhaltensweisen und das soziale Image auswirken.
Klingt nach einer spannenden Erfahrung…
Auf jeden Fall. Die Bewohner von Bougainville leben buchstäblich in einer anderen Welt. Da habe ich am eigenen Leib erfahren, wie wichtig Wahrnehmung sein kann. Als „Fremdling“, der mit der faszinierenden Kultur und den für uns Europäer ungewohnten sozialen Normen nicht vertraut war, habe ich wohl so manche Geste und Aussage der Einheimischen missverstanden – und umgekehrt. Einmal wurde für mich zeitgleich an zwei verschiedenen Orten gekocht, ohne dass ich davon wusste. Und das eigentlich geplante Mittagessen mit meinem Gastgeber wurde überraschend abgesagt. Bis heute ist mir nicht ganz klar, was da schiefgelaufen ist.