
Die schleppend verlaufende Impfkampagne in Deutschland ist das Aufregerthema der letzten Monate. Eine weitgehende Rückkehr zur Normalität ohne Einschränkungen des öffentlichen Lebens scheint bislang in weiter Ferne. Denn der dafür nötigen Herdenimmunität stehen nicht nur eklatante Logistikprobleme im Weg, sondern auch die mangelnde Impfbereitschaft in breiten Teilen der Bevölkerung. In verschiedenen Medienbeiträgen beleuchtet briq-Direktor Armin Falk dieses Problem und mögliche Lösungsansätze aus verhaltensökonomischer Sicht.
Da es beim Impfen nicht nur um den Eigenschutz gehe, sondern sich auch Vorteile für andere ergeben, wenn weniger Menschen im Krankenhaus landen und die Lockdown-Zeit verkürzt wird, handele es sich um einen Akt der Kooperation und Solidarität. „Deswegen müssen wir Impfverweigerung als das bezeichnen, was es in den meisten Fällen ist: als unkooperatives, antisoziales und zutiefst eigennütziges Verhalten“, schreibt Falk in einem Gastbeitrag für DIE ZEIT. „Impfverweigerung ohne triftigen Grund ist Trittbrettfahren der übelsten Sorte“, zitiert ihn die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung.
Die effektivste, aber politisch nicht gewollte Lösung wäre eine Impflicht. Zwar könne Kooperation auch freiwillig gelingen, allerdings seien Menschen aus verhaltenspsychologischer Sicht nur bedingt kooperativ – unser Verhalten hänge stark vom Verhalten anderer ab. Daher empfiehlt Falk: „Wir brauchen mehr mediale Berichte über Impferfahrungen und sollten als Staat und Gesellschaft Geimpfte mehr feiern!“
Zudem müssten die Menschen besser über die weitreichenden Vorteile des Impfens aufgeklärt und bürokratische Hürden abgebaut werden: „Menschen kooperieren umso eher, je höher der eigene und der soziale Nutzen sind und je geringer die Kosten.“ Helfen könnten beispielsweise kostenlose Fahrdienste oder Sonderurlaub fürs Impfen. Ähnlich wie bei der Debatte über den Organspendeausweis würde auch eine Widerspruchslösung die Impfbereitschaft steigern, da sich Menschen eher zur Impfung durchringen würden, wenn sie diese aktiv ablehnen müssten.
Aus Laborstudien sei bekannt, dass sich kooperationsbereite Menschen lokal zusammenfinden – auch durch den Ausschluss nicht-kooperativer Typen. Private Lösungen, die Zugänge und Teilhabe an kooperatives Verhalten knüpfen, indem beispielsweise Urlaubsflüge oder Restaurantbesuche nur mit Impfnachweis möglich seien, könnten daher die Impfbereitschaft steigern. „Wir gewähren ja keine Privilegien, sondern geben Grundrechte zurück“, stellt Falk gegenüber der WirtschaftsWoche klar.
„Geimpfte müssen sofort alle Grundrechte zurückbekommen“
Das Argument mangelnder Fairness gegenüber Menschen, die noch kein Impfangebot erhalten haben, lässt Falk nicht gelten: „Ich stelle andere ja besser, ohne mich schlechter zu stellen. Außerdem habe ich als noch nicht Geimpfter dadurch auch Vorteile, wenn Wirtschaft und Gesellschaft wieder ans Laufen kommen“, erklärt er gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger.
In dem Interview kritisiert Falk außerdem die Corona-Politik der Regierung aus Sicht der Verhaltensökonomik: „Dass mehrmals hintereinander Erwartungen geweckt wurden, die enttäuscht wurden, ist um ein Vielfaches schlimmer als nur nicht zu liefern. Es provoziert Frust und zerstört Vertrauen.“ Um die Kooperationsbereitschaft der Bevölkerung zu erhalten, müsse statt konkreter Versprechungen die richtige Balance gefunden werden zwischen Ermutigung und dem glaubwürdigen Eindruck, dass wirklich alle ihr Möglichstes tun.
Dafür brauche es mehr Mut zum Pragmatismus wie beispielsweise in Großbritannien, wo rund um die Uhr geimpft werde. In Deutschland hingegen stehe uns „eine Denke und politische Ängstlichkeit im Weg, die absolut nicht krisentauglich ist“, so Falk. Damit sich die Menschen weiterhin an die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie halten, helfe neben Aufklärung nur noch eine flächendeckende Beschleunigung der Impfungen und Schnelltests, die Freiheiten ermöglichen.
Neben der stärkeren Einbindung von Betriebs- und Amtsärzten schlägt Falk eine nutzerfreundlichere Abwicklung der Terminvergabe über private Anbieter mit entsprechender Erfahrung vor. Denn trotz aller Impfanreize müsse es vor allem darum gehen, die bürokratischen Hürden für jeden Einzelnen auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.