In der wirtschaftshistorischen Betrachtung wird die zunehmende Auflösung enger sozialer Bindungen im Familien- und Verwandtschaftskreis häufig mit wirtschaftlicher Entwicklung, Urbanisierung und Wachstum in Verbindung gebracht. Allerdings waren Ursache und Wirkung bislang unklar. Eine aktuelle Studie von briq-Postdoc Arkadev Ghosh, “Sam” Il Myoung Hwang und Munir Squires stützt nun die Hypothese, dass eng verwobene Familienstrukturen tatsächlich die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung hemmen.
Um einen solchen kausalen Zusammenhang zu belegen, nutzten die Forscher das Verbot von Ehen zwischen Cousins und Cousinen in den US-Bundesstaaten. Mithilfe einer aus der Populationsgenetik abgeleiteten Methode konnten sie die Häufigkeit von Verwandtenehen anhand von gleichen Nachnamen messen. Dazu werteten sie Millionen von Heiratsurkunden aus dem 18. bis 20. Jahrhundert aus. Ihre Analyse von Zensusdaten zeigt zunächst, dass verheiratete Cousins und Cousinen tendenziell in ländlichen Gebieten lebten und geringer bezahlte Berufe ausübten.
Die Forscher untersuchten dann die Auswirkungen des Verbots von Verwandtenheirat auf die Geburtskohorten, die davon betroffen waren. So stellten sie fest, dass dieses Verbot dazu führte, dass Mitglieder von Familien, in denen Verwandtenehen zuvor verbreitet waren, tendenziell von Farmen in städtische Gebiete migrierten und im Laufe der Zeit besser bezahlte Berufe ergriffen.

Zudem zeigten die Daten innerhalb der betreffenden Familien eine wachsende Vielfalt bei der Wohnort- und Berufswahl. Die Ergebnisse legen nahe, dass diese Veränderungen hauptsächlich aus den sozialen und kulturellen Auswirkungen der breiteren Streuung von Familien resultieren, nicht aus genetischen Faktoren. Darüber hinaus stieg die Häufigkeit der Heimunterbringung für Ältere, Kranke und Bedürftige, was auf eine Verringerung der Unterstützung durch Verwandte hindeutet.
Die Studie (siehe Vorabversion hier) ist im Quarterly Journal of Economics erschienen, das zu den international führenden Fachzeitschriften der Wirtschaftswissenschaften zählt.